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Pressemitteilungen

Erstmals Stammzelllinien mit erweitertem Potenzial von Schweinen etabliert

Wissenschaftler aus Hongkong, Großbritannien und Deutschland veröffentlichen Studie

Insel Riems, 03. Juni 2019. Im Rahmen einer Zusammenarbeit von Forschungsgruppen aus dem Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Loeffler-Instituts in Mariensee in Deutschland, der Universität in Hongkong, Li Ka Shing Faculty of Medicine, School of Biomedical Sciences (HKUMed) und dem dem Wellcome Sanger Institute in Cambridge in Großbritannien, ist es zum ersten Mal gelungen, embryonale Stammzelllinien mit erweitertem Potenzial (Expanded Potential Stem Cells, EPSCs) aus Schweineembryonen zu gewinnen. Sie ebnen den Weg für die weitere Erforschung der Entwicklungsbiologie sowie für die translationale Forschung in der Genetik, Medizin, Biotechnologie und Landwirtschaft. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Cell Biology veröffentlicht.

Die EPSCs konnten erstmalig aus frühen Embryonen von Schweinen gewonnen werden. Den Wissenschaftlern des Instituts für Nutztiergenetik gelang dies durch eine neue Nährlösung, die in Hongkong und Cambridge entwickelt wurde. Dr. Monika Nowak-Imialek vom Institut für Nutztiergenetik sagt: „Unsere aus Schweineembryonen isolierten porcinen EPSCs sind die ersten gut charakterisierten Zelllinien von Schweinen weltweit. Das Potenzial von EPSCs, sich zu jedem Zelltypen zu entwickeln, eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklungsbiologie, regenerative Medizin, Organtransplantation, Krankheitsmodelle und bei der Suche nach potentiellen Medikamenten.” 

Die neuen Stammzellen zeigen die für embryonale Stammzellen typische Morphologie und Genexpression. Sie können sich selbst erneuern und sind dadurch prinzipiell unbegrenzt in Kultur zu halten. Verglichen mit somatischen Zellen, die nur eine begrenzte Lebensdauer haben, eignen sich Stammzellen viel besser für langwierige Selektionsprozesse. Diese Schweinestammzelllinien sind mit neuen Genomeditierungsverfahren wie CRISPR/Cas leicht zu modifizieren, was besonders bei der Generierung von Krankheitsmodellen interessant ist.

Eine der einzigartigen Eigenschaften dieser Zelllinien ist ihre hohe Entwicklungsfähigkeit nicht nur in zahlreiche Zelltypen des Organismus, sondern auch in extraembryonales Gewebe, den Trophoblasten. Deshalb haben die Forscher ihre Zellen „Stammzellen mit erweitertem Potenzial“ (Expanded Potential Stem Cells, EPSCs) genannt. Diese Fähigkeit könnte sich als wertvoll für die zukünftige vielversprechende Organoid-Technologie erweisen, bei der organähnliche kleine Zellansammlungen in 3D-Aggregaten gezüchtet werden, die zur Erforschung der frühen Embryonalentwicklung, von verschiedenen Krankheitsmodellen und Prüfung von neuen Medikamenten in Petrischalen verwendet werden können. Zudem konnten die Autoren zeigen, dass aus ihren Schweinestammzellen Trophoblast-Stammzellen generiert werden können. Dieser Zelltyp bietet einzigartige Möglichkeiten, Untersuchungen zu Funktion und Krankheiten der Plazenta in vitro durchzuführen zu können.

In weiteren Experimenten gelang es, eine embryonale Schweinestammzelllinie in primordiale Keimzell-ähnliche Zellen (Primordial Germ Cell-like Cells, PGCLCs), die Vorläuferzellen von Eizellen und Spermien sind, zu differenzieren. Ein wesentlicher Schritt in der Zukunft wäre hier zu erforschen, wie weit es möglich ist, aus diesen Zellen Sperma bzw. Eizellen in befruchtungsfähigem Status zu erstellen. Die neuen Stammzellen eröffnen außerdem eine wichtige Grundlage für die medizinische Forschung. Im Vergleich zur Maus ist das Schwein genetisch, anatomisch und physiologisch dem Menschen sehr viel ähnlicher und damit auch ein besser geeignetes Tiermodell. Die Überprüfung des Wirkmechanismus und der Sicherheit einer Stammzelltherapie beim Schwein könnte somit eine bedeutende Rolle für zukünftige Therapieansätze beim Menschen spielen.

Embryonale Stammzellen (ES) werden aus den inneren Zellen von sehr frühen Embryonen, den sogenannten Blastozysten, gewonnen. Embryonale Stammzellen sind Alleskönner und können sich in Kultur in verschiedenste Zelltypen des Körpers entwickeln. Diese Eigenschaft nennt man Pluripotenz. Bisherige Versuche, pluripotente embryonale Stammzelllinien aus Nutztieren wie Schwein oder Rind zu etablieren, resultierten in Zelllinien, die nicht alle Eigenschaften der Pluripotenz erfüllt haben und deshalb „ES‐ähnlich“ genannt wurden.

Publikation:
Xuefei Gao, Monika Nowak-Imialek, Xi Chen et al. (2019) Establishment of porcine and human expanded potential stem cells. Nature Cell Biology. DOI : 10.1038/s41556-019-0333-2

Kontakt:
Monika Nowak-Imialek, Institut für Nutztiergenetik am Friedrich-Loeffler-Institut
Telefon: +49 5034 871 5119 / Mail: Monika.Nowak-Imialek@~@fli.de
 

Das Wellcome Sanger Institut: 
Das Wellcome Sanger Institut ist eines der weltweit führenden Institute für Genom- und Biodaten. Durch seine Möglichkeiten, Forschung in großem Maßstab durchzuführen, ist es in der Lage, sich an zukunftsweisenden und langfristigen Projekten zu beteiligen. Diese zielen darauf ab, die Wissenschaft weltweit zu beeinflussen und zu stärken. Die Forschungsergebnisse des Instituts, die durch seine eigenen Forschungsprogramme und seine führende Rolle in internationalen Konsortien gewonnen wurden, werden genutzt, um neue Diagnosen und Therapien für menschliche Krankheiten zu entwickeln und das Leben auf der Erde zu verstehen. Weitere Informationen unter: https://www.sanger.ac.uk/.

Über Wellcome Trust:
Der Wellcome Trust sieht seine Aufgabe darin, die Gesundheit durch das Vorantreiben großartiger Ideen zu verbessern. Er unterstützt Forscher, nimmt große gesundheitliche Herausforderungen an, setzt sich für eine bessere Wissenschaft ein und hilft allen, sich für Wissenschaft und Gesundheitsforschung zu engagieren. Er ist eine politisch und finanziell unabhängige Stiftung.

Über die LKS-Fakultät für Medizin der Universität von Hongkong (HKUMed):
Die Medizinische Fakultät LKS der Universität von Hongkong (HKUMed) ist die am längsten bestehende Hochschule in Hongkong. Sie wurde 1887 von der London Missionary Society als Hong Kong College of Medicine für Chinesen gegründet und 1907 in Hong Kong College of Medicine umbenannt.
Die Medizinische Fakultät gilt als erste Fakultät der im Jahr 1911 gegründeten Universität Hongkong. Sie wirkt seit über einem Jahrhundert in Hongkong und hat sich fest als medizinische Hochschule für Lernen, Innovation und Unternehmertum etabliert. Seit ihrer Gründung spielt die Fakultät eine Vorreiterrolle in der medizinischen Ausbildung und Forschung.
Von ihren bescheidenen Anfängen an hat sich die Medizinische Fakultät zur größten Fakultät der Universität mit über 400 akademischen Mitarbeitern sowie über 800 Mitarbeitern für Forschung und forschungsbezogene Unterstützung entwickelt. Insgesamt gibt es ungefähr 2.900 Studenten und 1.500 Postgraduierte. Die Fakultät besteht aus 14 Abteilungen, der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften, der Fakultät für Chinesische Medizin, der Fakultät für Krankenpflege und der Fakultät für öffentliche Gesundheit sowie einer Reihe von Forschungszentren, die sich auf verschiedene Schwerpunkte konzentrieren. Weitere Informationen unter: https://www.med.hku.hk/.

Abbildung: Genetisch modifizierte embryonale Schweinestammzellen (mCherry-transgene Stammzelllinie) wurden in einen frühen Schweinembryo (Blastozyste) injiziert. Die Stammzellen beteiligten sich an der Embryogenese, inklusive der Plazenta. Rot: mCherry-transgene embryonale Stammzellen; blau: mit Hoechst gefärbte Zellkerne. (© FLI)

Genetisch modifizierte embryonale Schweinestammzellen (mCherry-transgene Stammzelllinie) wurden in einen frühen Schweinembryo (Blastozyste) injiziert. Die Stammzellen beteiligten sich an der Embryogenese, inklusive der Plazenta. Rot: mCherry-transgene embryonale Stammzellen; blau: mit Hoechst gefärbte Zellkerne. (© FLI)

Abbildung: Embryonale Schweinestammzelllinien mit erweitertem Potenzial (Expanded Potential Stem Cells, EPSCs) eröffnen neue Möglichkeiten für die Forschung am Schweinemodell. (© FLI)

Embryonale Schweinestammzelllinien mit erweitertem Potenzial (Expanded Potential Stem Cells, EPSCs) eröffnen neue Möglichkeiten für die Forschung am Schweinemodell. (© FLI)

Abbildung: Embryonale Schweinestammzellen mit erweitertem Potenzial können über mehrere Passagen in Kultur gehalten werden. Sie zeigen typische Stammzell-Morphologie mit kompakten Kolonien, die aus mehreren kleinen Einzelzellen bestehen und einen scharf abgegrenzten Rand haben. Die Zelllinien lassen sich erfolgreich mit CRISPR/Cas System genetisch modifizieren und weisen eine stabile Expression von mCherry Protein auf. Rot: mCherry Protein. (© FLI)

Embryonale Schweinestammzellen mit erweitertem Potenzial können über mehrere Passagen in Kultur gehalten werden. Sie zeigen typische Stammzell-Morphologie mit kompakten Kolonien, die aus mehreren kleinen Einzelzellen bestehen und einen scharf abgegrenzten Rand haben. Die Zelllinien lassen sich erfolgreich mit CRISPR/Cas System genetisch modifizieren und weisen eine stabile Expression von mCherry Protein auf. Rot: mCherry Protein. (© FLI)

Zum Download

Presseinformation des FLI 02/2019 (PDF-Link zu OpenAgrar)