Das „klassische“ Borna disease virus 1 (BoDV-1) wird von Spitzmäusen übertragen und kann zumeist tödliche Gehirnentzündungen bei Tieren (v.a. Pferden) und Menschen verursachen. Die Letalität liegt bei über 90%. Obwohl sowohl das Virus als auch die Erkrankung schon sehr lange bekannt sind, war die Datenlage zur Verbreitung dieses zoonotischen Erregers bisher sehr lückenhaft und größtenteils veraltet.
Unter Leitung des Nationalen Referenzlabors für Bornavirusinfektionen der Tiere am FLI wurde nun die bisher umfassendste Studie zur Verbreitung des BoDV-1 veröffentlicht. Die Studie war im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsverbundes „ZooBoCo“ durchgeführt worden. Beteiligt an der Studie waren mehr als 25 Institutionen aus der Veterinär- und Humanmedizin in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Rahmen dieses Projekts wurden Gehirnproben von aktuellen sowie archivierten Fällen von BoDV-1-Infektionen bei Menschen und Tieren untersucht, die gefundenen Viren genetisch typisiert und umfangreiche Hintergrundinformationen zu den Fällen gesammelt. Eine gemeinsame Analyse dieser neuen Daten in Kombination mit den bereits zuvor publizierten Fällen erlaubt nun erstmals die Festlegung von definierten Kriterien zur Identifikation von Verbreitungsgebieten, in denen ein Risiko für eine Übertragung des BoDV-1 auf Tier und Mensch besteht. Darüber hinaus liefert die Studie eine erste Übersicht über alle 46 bisher publizierten laborbestätigten BoDV-1-Infektionen beim Menschen.
Hinweise auf ein Vorkommen des Virus wurden ausschließlich in den zuvor bereits angenommenen Verbreitungsgebieten, vor allem in südlichen und östlichen Teilen Deutschlands und begrenzten Gebieten in Österreich und der Schweiz gefunden. Anzeichen einer deutlichen Ausbreitungstendenz des Virus über die vergangenen Jahrzehnte gibt es nicht. Die verschiedenen genetischen Varianten des BoDV-1 treten in voneinander abgrenzbaren Regionen innerhalb des Verbreitungsgebiets auf. Dieser Umstand erlaubt es, anhand ihrer genetischen Signatur die Herkunft der Viren und damit die Infektionsorte von Mensch und Tier einzugrenzen. So konnte in fast allen Infektionsfällen bei Menschen der gefundene Virustyp der jeweiligen Heimatregion der Patientin oder des Patienten zugeordnet werden, was auf in der Regel wohnortnahe Infektionsquellen schließen lässt.
Die Detailuntersuchungen und genetischen Typisierungen der Proben werden durch das Nationale Referenzlabor weitergeführt, um die Datenlage weiter zu verbessern und in Zukunft noch genauere Aussagen zu Risikogebieten und Infektionsquellen treffen zu können. Die Kartierung der Verbreitungsgebiete soll zudem dazu beitragen, die Aufmerksamkeit für die Infektion sowohl in der Human- als auch der Veterinärmedizin zu stärken. „Nun muss in diesen Regionen genauer hingeschaut werden und BoDV-1 als Erreger für Mensch und Tier in Betracht gezogen und Verdachtsfälle abgeklärt werden.“, so PD Dr. Dennis Rubbenstroth, Leiter des Referenzlabors für Bornavirusinfektionen der Tiere.