Lange Zeit galt das klassische Borna Disease Virus (BoDV-1) vor allem als Erreger von oftmals tödlichen Gehirnentzündungen bei Pferden, Schafen und anderen Haussäugetieren. Über das Gefahrenpotential für den Menschen wurde dagegen heftig gestritten, bis im März erstmals zweifelsfrei bestätigte Fälle durch das Robert Koch-Institut gemeldet wurden. Die Hintergründe und wissenschaftlichen Details sind nun in der renommierten Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ (NEJM) veröffentlicht worden.
Im Jahr 2016 waren in Deutschland drei Transplantat-Empfänger von Organen desselben Spenders an schweren Gehirnentzündungen erkrankt. Zwei der Patienten starben etwa ein halbes Jahr nach der Transplantation, während der dritte schwer erkrankte, aber überlebte. Ein Konsortium aus verschiedenen medizinischen und wissenschaftlichen Einrichtungen unter Federführung des Friedrich-Loeffler-Instituts konnte eine Übertragung von BoDV-1 durch die transplantierten Organe als Ursache der Erkrankung ausmachen. Der Nachweis des Erregers gelang übereinstimmend mit verschiedenen Methoden, und eine Analyse der Genom-Sequenz ergab eine enge Verwandtschaft zu Stämmen von Pferden und Spitzmäusen aus der Heimatregion des Spenders in Bayern. Ähnliches gilt auch für einen weiteren unabhängigen Infektionsfall aus Bayern, der gleichzeitig im NEJM publiziert wird. Für diesen Patienten, der ebenfalls an einer Enzephalitis verstarb, besteht allerdings keine Verbindung zu einer Organtransplantation.
Bei der BoDV-1-Infektion handelt es sich somit nach neuestem Wissensstand um eine Zoonose. „Das bekannte Reservoir des Virus ist die Feldspitzmaus, die selbst jedoch nicht an der Infektion erkrankt. Erst nach Übertragung auf andere Arten, einschließlich des Menschen, kommt es zu oftmals schweren Erkrankungen“., so Martin Beer, der korrespondierende Autor der Studie. Die Verbreitung des Virus in den Feldspitzmauspopulationen scheint weitgehend auf bestimmte Regionen Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und in Liechtenstein beschränkt zu sein. Auf welchem Weg die Übertragung auf den Menschen stattfindet, ist bisher noch ungeklärt. Diese und andere Fragen zur Bedeutung zoonotischer Bornavirusinfektionen sind Gegenstand derzeit laufender Forschungen durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte „Zoonotic Bornavirus Consortium“ (ZooBoCo).
Nach Bekanntwerden der jetzt veröffentlichten Fälle wurden weitere tödlich verlaufene BoDV-1-Infektionen bei Menschen nachgewiesen. Alle Patienten stammten aus dem bekannten Verbreitungsgebiet des Virus, und die analysierten Gensequenzen lassen auf voneinander unabhängige regionale Infektionsquellen schließen. Eine Organtransplantation konnte in keinem dieser Fälle als Ursache ausgemacht werden.
Entgegen früherer und inzwischen widerlegter Annahmen handelt es sich um selten auftretende zoonotische Infektionen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch durch Organtransplantate scheint einen Einzelfall darzustellen, so dass nicht von einem neuen spezifischen Risiko bei Transplantationen auszugehen ist.
Kontakte
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. Martin Beer (Fachtierarzt für Virologie)
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Institut für Virusdiagnostik
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Fragen zur Transplantationsmedizin:
Dr. med. Axel Rahmel
Deutsche Stiftung Organtransplantation
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Univ.-Prof. Dr. med. Bernhard Banas, MBA
Abteilung für Nephrologie
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