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WOAH und Nationales Referenzlabor für Tollwut

Die Tollwut, eine der ältesten bekannten viralen Zoonosen, d.h. eine vom Tier auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheit, ist weltweit verbreitet. Nach Schätzungen der WHO sterben jährlich immer noch zehntausende von Menschen, vor allem in den Ländern Afrikas und Asiens an dieser Krankheit. Viele Opfer sind Kinder unter 15 Jahren. Daher wird sie auch oft als vernachlässigte (neglected) Zoonose bezeichnet. 

Die Erreger der Tollwut sind Viren mit einer genomischen einzelsträngigen RNA negativer Polarität, die zum Genus Lyssavirus der Familie der Rhabdoviridae der Ordnung Mononegavirales gehören. Der Genus Lyssavirus umfasst derzeit 16 anerkannte und zwei putative Spezies. Das Rabies Virus (RABV) ist der Erreger der weltweit vorkommenden „klassischen Tollwut“, bei der Mesokarnivore (Hund, Fuchs, Coyote, Waschbär, Marderhund, Mangusten) das natürliche Reservoir darstellen. Aus epidemiologischer Sicht sind bei der klassischen Tollwut die „sylvatische Tollwut“ und die „urbane Tollwut“ zu unterscheiden. Die sylvatische Tollwut umschreibt die durch Wildkarnivoren übertragene Tollwut; bei der urbanen Tollwut bilden Hunde (Canis canis) das Hauptreservoir. In beiden Fällen wird das Tollwutvirus auch auf andere Tiere und den Menschen übertragen. In Europa ist vor allem der Rotfuchs (Vulpes vulpes) für die Erhaltung und Ausbreitung der Seuche verantwortlich. 

In den vergangenen 40 Jahren wurden in Europa mit Hilfe der oralen Immunisierung der Füchse enorme Erfolge bei der Tollwutbekämpfung erzielt. Mit Hilfe modifizierter Tollwutlebendimpfstoffe und einem einmaligen Auslageverfahren gelang es, die Seuche in weiten Teilen Europas, auch in Deutschland, zu tilgen. Seit 2008 gilt Deutschland wie viele andere west- und mitteleuropäische Länder offiziell als tollwutfrei (Freiheit von klassischer Tollwut). Für die EU hat die Tollwutbekämpfung eine sehr hohe Priorität; erklärtes Ziel ist es, die Tollwut in der Europäischen Union bis 2020 zu tilgen. 

Fledermäuse (Chiroptera) sind weltweit die eigentlichen Reservoire für Lyssaviren; 15 Spezies von Lyssaviren kommen ausschließlich in Chiroptera vor. Im Gegensatz zum klassische Tollwutvirus (RABV) haben die Fledermaus-assoziierten Lyssaviren allerdings ein eher begrenztes geographisches Vorkommen. Auch für RABV sind Fledermäuse ein Hauptreservoir, allerdings nur in Nord-und Südamerika. Für zwei weitere Lyssavirusspezies werden Fledermäuse ebenfalls als Reservoire vermutet. Auch europäische Fledermäuse können an Tollwut erkranken und verenden. Überwiegend betroffen sind Breitflügel- und Isabellfledermäuse, bei denen das European bat lyssavirus 1 (EBLV-1) nachgewiesen wurde. Das Reservoir für EBLV-2 dagegen sind Teich- und Wasserfledermäuse. Für das Bokeloh bat lyssavirus (BBLV) sind Fransenfledermäuse das natürliche Reservoir. Das West Caucasian Bat Lyssavirus (WCBV) und das Lleida bat lyssavirus (LLEBV) wurden jeweils in Unterarten der Langflügelfledermaus (Miniopterus schreibersii) im Westkaukasus bzw. Spanien und Frankreich nachgewiesen. Diese Fledermausart ist in Deutschland als Durchzügler nur ein seltener Gast.

Die Aufgaben des nationalen Referenzlabors (NRL) für Tollwut leiten sich aus  der Tollwut-Verordnung (TW-VO) vom 11. April 2001 (BGBl. I 2001 S. 598) in Verbindung mit der Entscheidung BMELV vom 08. Juli 1997 ab.

Aufgaben als NRL für Tollwut:

  • Direkter Ansprechpartner für Bundes- und Länderbehörden zu Fragen der Tollwutbekämpfung (Orale Immunisierung der Füchse) 
  • Forschung zur Weiterentwicklung Tollwut-spezifischer Testverfahren, Pathogenese, Immunisierung und Epidemiologie
  • Beteiligung an internationalen Arbeitsgruppen und Forschungsprojekten 
  • Durchführung bestätigender Antigen- bzw. Genomnachweis
  • Bereithaltung von Virusstämmen und Referenzseren 
  • Chargenprüfung von Tollwut-Diagnostika (ELISA, Konjugate) 
  • Standardisierung der Tollwutdiagnostik
  • Durchführung nationaler und Teilnahme an internationalen Ringvergleichstests 

Das FLI wurde 1977 als WHO Collaborating Centre for Rabies Surveillance and Research sowie 1992 als WOAH Referenzlabors für Tollwut ernannt. Die Aufgaben als WHO Collaborating Centre for Rabies Surveillance and Research und WOAH Referenzlabors für Tollwut werden mit jeder Redesignierung aktualisiert:

  • Durchführung und Koordination von Tollwutforschung gemäß den Empfehlungen des WHO Expert Committee. Forschungsgebiete sind die orale Immunisierung von Wildtieren und Hunden, Epidemiologie und Diagnostik der Tollwut sowie die Epidemiologie der Tollwut in Neozooen und Europäischen Fledermäusen.
  • Erhebung und Analyse tollwutspezifischer epidemiologischer Daten und Zurverfügungstellung für das Global Health Observatory der WHO bzw. Datenbanken des WOAH
    • Weiterentwicklung des Rabies Bulletin Europe als eine interdisziplinäre Informationsplattform und Template für andere Regionen
  • Beratung von WHO und WOAH zu Fragen der Tollwutsurveillance, -diagnotik und -bekämpfung
  • Weiterentwicklung und Standardisierung von tollwutspezifischer Diagnose- und Bekämpfungsverfahren
  • Training in Epidemiologie und Diagnostik

Links:

  • Antigennachweis mittels Immunfluoreszenztest (IFT), direktem Rabies immunohistochemischem test (DRIT) & immunochromatographischem Test (later flow device)
  • Zellkultureller Virusnachweis (Virusisolierung)
  • Lyssavirusgenomnachweis mittels konventioneller und real-time RT-PCR
  • Genetische Charakterisierung von Lyssaviren mittels Genomsequenzierung
  • Biologische Charakterisierung von Lyssaviren im Mausmodell
  • Antikörpernachweis mittels Neutralisationstest, ELISA, Zell-ELISA und Immunoblot
  • Referenzseren für serologische Assays
  • Verschiedene Lyssavirus-Referenzstämme
  • Anti-Nukleokapsid monoklonaler Antikörper zur Virustypisierung
  • Pathogenitätsstudien mit neuartigen Lyssaviren
  • Passive Surveillance zum Vorkommen von Lyssavirus-Infektionen 
  • Genotypische Charakterisierung von Lyssavirusisolaten aus Europa und anderen Teilen der Welt
  • Entwicklung Lyssavirus-genotypspezifischer Real-Time RT-PCRs
  • Erhebung und Auswertung von Tollwutsurveillancedaten aus Europa
  • Immunogenität und Wirksamkeit neuer oraler Tollwutimpfstoffe
  • Orale Immunisierung von Wildtieren und Hunden
  • Technische Unterstützung der Bekämpfung der Hundetollwut in Namibia
  • Kudu-Tollwut
     

Verordnung zum Schutz gegen die Tollwut (Tollwut-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Oktober 2010 (BGBl. I S. 1313) zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 29. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2481)