Nationales Referenzlabor für Milzbrand
Milzbrand ist eine ansteckende und potenziell tödliche Krankheit, die durch das Bakterium Bacillus anthracis verursacht wird. Es handelt sich um ein Gram-positives, fakultativ anaerobes, sporenbildendes und stäbchenförmiges Bakterium, das in erster Linie Pflanzenfresser wie Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde befällt, aber auch andere Nutztiere und Wildtiere infizieren kann. Virulente Stämme besitzen neben einer Kapsel ein plasmidkodiertes Proteintoxin, das aus einem Schutz-, einem Letal- und einem Ödemfaktor besteht. Die Sporen können im Boden jahrzehntelang lebensfähig bleiben und stellen ein ständiges Risiko für neue Ausbrüche dar. Tiere infizieren sich hauptsächlich durch die Aufnahme von Sporen über das Futter oder durch Einatmen. Die häufigste Art der Sporenaufnahme ist das Weiden, aber auch Insekten können das Bakterium von Tier zu Tier übertragen. Fleischfresser infizieren sich, wenn sie sich von Kadavern gefallener Tiere ernähren. Die Inkubationszeit bei infizierten Tieren beträgt ein bis vierzehn Tage, und die charakteristischen Anzeichen der Krankheit sind plötzlicher Tod, ödematöse Schwellungen am Hals und blutiges Exsudat aus allen Körperöffnungen.
Der Mensch kann sich mit Milzbrand anstecken, wenn er mit infizierten Tieren oder kontaminierten tierischen Produkten wie Fleisch, Knochen, Blut, Wolle oder Haaren und Häuten in Berührung kommt. B. anthracis-Sporen können verschluckt oder eingeatmet werden oder durch Hautabschürfungen und Wunden in den Körper gelangen. Je nach Eintrittsweg können sich drei Formen von Milzbrand entwickeln: Hautmilzbrand, Lungenmilzbrand oder Darmmilzbrand.
Milzbrand tritt weltweit auf und ist derzeit in wärmeren Klimazonen wie Südosteuropa, Südamerika, Afrika und Südostasien häufiger anzutreffen. Das Auftreten der Krankheit steht häufig auch im Zusammenhang mit Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, starken Regenfällen, Erdbeben, Erdrutschen oder Ausgrabungen. In Europa ist die Inzidenz von Milzbrand gering, und die Fälle treten nur gelegentlich und lokal auf. Zwischen 2005 und 2022 wurden bei der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) insgesamt 267 Fälle von Milzbrand registriert. 251 Fälle traten bei Haustieren und 16 bei Wildtieren auf. In Deutschland tritt Milzbrand nur sporadisch auf, seit 2009 wurden bundesweit nur fünf Fälle gemeldet.
Der Erregernachweis erfolgt über die Kultivierung und den anschließenden molekularen Nachweis von Virulenzplasmid-getragenen Toxin-Genen.
Die Hauptaufgaben des Nationalen Referenzlabors (NRL) sind die Unterstützung der Landeslaboratorien durch die Durchführung von Bestätigungstests und die Bereitstellung von regelmäßigen Laborvergleichstests.
Milzbrand ist eine Krankheit, die mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Verlusten in der Tierproduktion und mit Infektionen beim Menschen verbunden sein kann. Etwa 1,8 Milliarden Menschen und ihr Vieh leben in Gebieten, die für Milzbrand geeignet sind. Verheerende Ausbrüche werden bei Wildtieren beobachtet, die auch gefährdete Arten wie afrikanische Elefanten und Löwen bedrohen. Anthrax hat sich auch als berüchtigtes Mittel des Bioterrorismus erwiesen und war Gegenstand biologischer Waffenprogramme verschiedener Staaten. Die Sporen sind ausgesprochen resistent gegenüber Hitze, Kälte, pH-Wert, Trocknung, Chemikalien und Bestrahlung, und die Umgebung kann für unbestimmte Zeit kontaminiert bleiben. Die Krankheit ist weltweit verbreitet, kommt aber am häufigsten in Asien (Naher und Ferner Osten, Indien), Afrika und Südamerika vor. In Europa sind vor allem der Mittelmeerraum und Osteuropa betroffen. In Deutschland gibt es viele Regionen, insbesondere Gebiete, in denen mit Milzbrand infizierte Tiere entsorgt oder Gerbereien betrieben wurden, die möglicherweise noch kontaminiert sind, jedoch wurde Milzbrand bei Tieren nur sporadisch festgestellt. Von 1981 bis 2002 wurden 41 Milzbrandausbrüche bei Tieren (Neuausbrüche, Bauernhöfe) gemeldet.
- Schulung und Unterstützung der diagnostischen Laboratorien der Bundesländer
- Klärung von unklaren Befunden
- Entwicklung neuer Diagnosemethoden
- Bereitstellung regelmäßiger Laborvergleichsuntersuchungen
- Bereitstellung von Referenzmaterialien
Die Laborausstattung des NRL für Milzbrand in Jena ist darauf ausgelegt, schnell zu bestätigen oder auszuschließen, ob eine Probe mit Bacillus anthracis kontaminiert ist oder nicht. Unser Labor ist darauf vorbereitet, Proben von Ausbrüchen oder mutmaßlichen Fällen entgegenzunehmen. Die Isolierung des Bakteriums kann bei alten oder zersetzten Tierproben, bei verarbeiteten Produkten von an Milzbrand verendeten Tieren oder bei Umweltproben aufgrund des Vorhandenseins anderer Bakterien eine Herausforderung darstellen. Daher besteht eine der Aufgaben des NRL darin, die Diagnoseverfahren für komplexe Proben zu optimieren, die aus Geweben, Organen, Pulver, Blut und Umweltproben von Bauernhöfen gewonnen werden.
Aufgrund der morphologischen Ähnlichkeiten ist die Unterscheidung von Bacillus-Arten von besonderer praktischer Bedeutung. Daher werden spezifische Testmethoden angewandt, z.B. die Kultivierung auf Anthrax-Blutagar und chromogenen Nährböden. B. anthracis-Kolonien erscheinen stecknadelkopfgroß und wachsen innerhalb von 4-5 Stunden auf den chromogenen Nährböden. Nach 18-20 Stunden bildet B. anthracis große, weiße Kolonien ohne Hämolyse, während andere Arten andere Merkmale aufweisen. Um die Identität der isolierten Kulturen oder verdächtigen Kolonien zu bestätigen, wird ein Plasmidnachweis mit PCRs durchgeführt. WGS und die anschließende bioinformatische Analyse helfen bei der Risikobewertung und der Analyse von Stämmen zur Rückverfolgung.
Die Handhabung von Materialien, die möglicherweise B. anthracis enthalten, erfordert eine Genehmigung und muss in einem Labor der Sicherheitsstufe 3 erfolgen.
- Beratung zur Diagnostik, einschließlich Materialtransport, Nährböden, Kultivierungsmethoden und Risikobewertung,
- Charakterisierung von bakteriellen Isolaten mit phänotypischen Methoden und moderner molekularer Analyse und Bioinformatik,
- Entwicklung und Optimierung von molekularen Methoden zum Erregernachweis, einschließlich Nested und Real-Time PCR,
- Pflege einer Stammsammlung von genetisch typisierten Isolaten,
Erfassung und Analyse von Anthrax-Ausbrüchen in Deutschland für epidemiologische Zwecke.
Für diagnostische Anforderungen wenden Sie sich bitte vorab an das NRL!
- Anthrax-WOAH: https://www.woah.org/en/disease/anthrax/
- Anthrax-WHO: https://www.who.int/europe/news-room/questions-and-answers/item/anthrax
- Anthrax-CDC: https://www.cdc.gov/anthrax/about/index.html
- Milzbrand (Anthrax)-RKI: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/A/Anthrax/Anthrax.html?box=1¤t=Anthrax+%28Milzbrand%2C+Bacillus+anthracis%29&lv2=2398700
- WOAH-Manual of Diagnostic Tests and Vaccines for Terrestrial Animals, thirteenth edition 2024: https://www.woah.org/en/what-we-do/standards/codes-and-manuals/terrestrial-manual-online-access/
- Anthrax in humans and animals: https://www.who.int/publications/i/item/9789241547536
- UNODA-Biological Weapons: https://disarmament.unoda.org/biological-weapons
Literatur
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