Nationales Referenzlabor für Tuberkulose der Rinder
(Mycobacterium bovis und Mycobacterium caprae)
Die Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die zwischen Mensch und Tier wechselseitig übertragbar ist und daher zu den Zoonosen gehört. Die eigentlichen Tuberkulose-Erreger werden aufgrund ihrer engen Verwandtschaft zum „Mycobacterium tuberculosis-Komplex“ zusammengefasst. Sie unterscheiden sich nicht in ihrem 16S rRNS-Gen, gehören also taxonomisch gesehen alle zu einer Spezies, Mycobacterium (M.) tuberculosis. Die Mitglieder des M. tuberculosis-Komplex unterscheiden sich jedoch in anderen Bereichen ihres Chromosoms, ihrer Adaptation an verschiedene Wirte und ihrer Pathogenität für einzelne Säugerspezies bzw. den Menschen. Daher werden sie in verschiedene Spezies eingeteilt, benannt jeweils nach ihren Primärwirten bzw. Erstbeschreibungen:
M. tuberculosis (Mensch), M. africanum (Mensch; Afrika), M. bovis (Rind), M. caprae (Rind, Ziege), M. orygis (Antilope), M. microti (Maus), M. pinnipedii (Robbe), Dassie bacillus (Klippschiefer), Chimpanzee bacillus (Schimpanse), M. mungi (Mangusten) und M. suricattae (Erdmännchen). Ebenfalls in den Komplex zählt der in seiner Virulenz stark abgeschwächte Impfstamm M. bovis BCG.
Die World Organisation for Animal Health (WOAH, gegründet als OIE) führt die Rindertuberkulose als gelistete Erkrankung. Dies sind „übertragbare Krankheiten, die von sozio-ökonomischer Bedeutung und/oder von Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und für den internationalen Handel mit Tieren und tierischen Produkten sind“. Nach dem neuen Tiergesundheits-Recht der EU zählen seit dem 21. April 2021 Infektionen mit M. tuberculosis, M. bovis oder M. caprae (MTBC) bei Rindern der Gattungen Bison ssp., Bos ssp. und Bubalus ssp. zu den „gelisteten Seuchen“ der Kategorie B, D und E, mit dem Ziel diese innerhalb der gesamten Union zu tilgen.
In Deutschland ist die Rindertuberkulose eine anzeigepflichtige Tierseuche. Sie gilt auf Grund intensiver staatlicher Bekämpfungsverfahren im Westen Deutschlands seit Anfang der Sechziger und im Osten seit Ende der Siebziger Jahre als praktisch getilgt. Seit 1997 ist Deutschland von der EU offiziell anerkannt als frei von Rindertuberkulose. Für diese Anerkennung mussten mindestens 99,9% der Rinderbestände in jedem Jahr und in den jeweils zurückliegenden zehn Jahren amtlich anerkannt frei von Tuberkulose sein. Seitdem stützen sich Kontrolle und Überwachung in der Hauptsache auf die Diagnose klinischer Veränderungen, die amtliche Fleischuntersuchung nach Schlachtung, die Sektionen toter Tiere an Veterinäruntersuchungsämtern sowie die Tuberkulinisierung in bestimmten Fällen. Bei klinischem Verdacht oder pathologischen Veränderungen des Gewebes werden diagnostische Untersuchungen (Bakteriologie, Molekularbiologie, Epidemiologie, Tuberkulinisierung von Kontakttieren, Gamma-Interferontest) eingeleitet, um den Verdacht abzuklären. Um eine Übertragung der Tuberkulose durch Milch zu verhindern, ist nach wie vor die Pasteurisierung die beste Schutzmaßnahme. Auch nach dem neuen EU-Recht und der Durchführungsverordnung (EU) 2021/620 hat das gesamte Hoheitsgebiet Deutschland weiterhin den Status „seuchenfrei“ in Bezug auf Infektionen mit MTBC.
- Ansprechpartner für Bundes- und Länderbehörden zu Fragen der Rindertuberkulose-Diagnostik und -Bekämpfung
- Unterstützung der Untersuchungsämter bei der Abklärung von Verdachtsfällen
- Bereitstellung von Vergleichsmaterial für die Untersuchungseinrichtungen der Länder
- Aktualisierung methodischer Empfehlungen zur Labordiagnose (Nachweis, Isolierung und Differenzierung) der Tuberkulose-Erreger
- Charakterisierung von Isolaten
- Ermittlung von Infektionsquellen, sowie Aufklärung von Infektionsketten
- Durchführung nationaler Laborvergleichsuntersuchungen
- Teilnahme an EU-Ringtests
- Training von Laborpersonal in der Mykobakterien-Diagnostik
- Differenzierung eingesandter Isolate
- Anzucht von Mykobakterien aus Untersuchungsmaterial
- Spezies-Identifizierung mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
- Nachweis erregerspezifischer DNS direkt aus infiziertem Gewebe (real-time PCR)
- Genotypisierung mittels molekularer Methoden:
- Spoligotypisierung (Differenzierung von Stämmen aus dem Mycobacterium tuberculosis-Komplex)
- MIRU-VNTR-Typisierung (Analyse repetitiver DNS-Sequenzen)
- DNS-Sequenzanalyse (PCR-Amplifikate, WGS)
- Aufklärung von Infektionsquellen und Untersuchungen zu Infektionsketten
- Nach Verordnung (EU) 2016/429 („Tiergesundheitsrecht“) und Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 zählt der Nachweis von MTBC bei Artiodactyla (außer Bison ssp., Bos ssp., Bubalus ssp.) zu den gelisteten Seuchen der Kategorie D + E, d.h. zu den Seuchen deren Ausbreitung durch Eingang in die Union oder Verbringung innerhalb der Union verhindert werden soll.
Aus dieser Kategorisierung und der Delegierten Verordnung (EU) 2020/688 ergeben sich Vorgaben für bestimmte Tierarten, bei denen Überwachungsprogramme innerhalb der Betriebe notwendig werden, sofern Tiere aus diesen Herden innerhalb der EU verbracht werden sollen. Hierzu zählen Ziegen, Kameliden und Zerviden. Unter anderem müssen alle Tiere, die zu Zuchtzwecken gehalten werden, einer jährlichen Untersuchung mit Negativbefund unterzogen werden.
Während für Ziegen der vom Europäischen Referenzlabor (EU-RL) vorgeschriebene Hauttest zur Überwachung zur Verfügung steht, sind für die anderen beiden Tiergruppen entsprechende Diagnostika in Deutschland nicht verfügbar. Das NRL führt Evaluierungsuntersuchungen zur Anwendung des vom EU-RL vorgeschriebenen ELISAs bei Kameliden durch. Für Zerviden sind vom EU-RL noch keine Vorgaben zur Testung festgelegt. - Nach Verordnung (EU) 2016/429 („Tiergesundheitsrecht“) und Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 zählt der Nachweis von MTBC bei landlebenden Mammalia zu Kategorie E. Hier unterstützt das NRL bei der Abklärung von Verdachtsfällen, insbesondere bei der Diagnostik von möglichen MTBC-Infektionen, mittels Genomnachweis und/oder kultureller Anzucht.
- Das NRL ist an der Zusendung aller deutschen Isolate aus dem M. tuberculosis-Komplex, die von Tieren stammen, interessiert, um diese einer Genotypisierung zu unterziehen. Ziel ist der Aufbau einer Datenbank, anhand derer schnell und effizient Infektionsketten und/oder Neueintragungen aus dem Ausland identifiziert werden können.
- VO über anzeigepflichtige Tierseuchen
- Tuberkulose-Verordnung in der jeweils gültigen Fassung
- Ausführungshinweise zur Verordnung zum Schutz gegen die Tuberkulose des Rindes vom 11. Juni 2014
- VO (EU) 2016/429 Tiergesundheitsrecht, Anhang II „Liste der Seuchen“ (geändert durch Delegierte Verordnung VO (EU) 2018/1629): Infektion mit dem Mycobacterium tuberculosis-Komplex (M. bovis, M. caprae, M. tuberculosis)
- Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 „Anwendung bestimmter Bestimmungen zur Seuchenprävention und -bekämpfung auf Kategorien gelisteter Seuchen und zur Erstellung einer Liste von Arten und Artengruppen, die ein erhebliches Risiko für die Ausbreitung dieser gelisteten Seuchen darstellen“
- Durchführungsverordnung (EU) 2021/620 „Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Genehmigung des Status „seuchenfrei“ und des Status der Nichtimpfung für bestimmte Mitgliedstaaten oder Zonen oder Kompartimente dieser Mitgliedstaaten in Bezug auf bestimmte gelistete Seuchen und der Genehmigung von Tilgungsprogrammen für diese gelisteten Seuchen“
- Durchführungsverordnung (EU) 2022/214 zur Änderung bestimmter Anhänge der Durchführungsverordnung (EU) 2021/620
- Delegierte Verordnung (EU) 2020/688 „Tiergesundheitsanforderungen an Verbringungen von Landtieren und Bruteiern innerhalb der Union“
- Delegierte Verordnung (EU) 2020/689 „Überwachung, Tilgungsprogramme und den Status „seuchenfrei“ für bestimmte gelistete und neu auftretende Seuchen“