Labor für Molekularbiologie animaler Herpesviren Nationales Referenzlabor für Infektiöse Laryngotracheitis der Hühner (ILT)
Das Labor für Molekularbiologie animaler Herpesviren nimmt die Aufgaben des Nationalen Referenzlabors für Infektiöse Laryngotracheitis der Hühner wahr.
Bearbeitete Erreger
- Virus der infektiösen Laryngotracheitis der Hühner (ILTV, GaHV-1)
- Koi Herpesvirus (KHV, CyHV-3)
- Pseudorabiesvirus (PrV, SuHV-1)
- Herpes Simplex Viren Typ 1 und Typ 2 (HSV-1/2, HHV-1/2)
Kurzbeschreibung der Projekte
Herstellung monospezifischer Antikörper zur Identifizierung und Charakterisierung viraler Genprodukte von ILTV und KHV
Im Gegensatz zu einigen Pathogenen des Menschen und anderer Säuger sind die meisten Herpesviren der Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische über die Genomsequenz hinaus nur wenig charakterisiert. Dies trifft auch auf ökonomisch relevante Krankheitserreger wie das Virus der infektiösen Laryngotracheitis der Hühner (ILTV) und das Koi Herpesvirus (KHV) zu, das zu Massensterben bei Kois und Nutzkarpfen führt. Die Untersuchung der Expressionskinetik viraler Proteine, ihre Lokalisierung in infizierten Zellen und Viruspartikeln, sowie der Nachweis post-translationeller Modifikationen und Protein-Interaktionen können wesentlich zum Verständnis des viralen Replikartionszyklus und zur Aufklärung von Pathogenesemechanismen beitragen. Da hierfür Antikörper gegen definierte virale Genprodukte nötig sind, wurden und werden in unserem Labor in den Genomsequenzen von ILTV und KHV nachweisbare, vermutlich Proteinkodierende Leserahmen in bakterielle oder eukaryontische Expressionsvektoren kloniert und in transformierten Zellen exprimiert. Die gereinigten Expressionsprodukte werden zur Immunisierung von Kaninchen oder Mäusen eingesetzt, aus denen dann polyklonale, aber monospezifsche Antiseren, oder auch monoklonale Antikörper gewonnen werden. Mit deren Hilfe konnten wir bislang über 20 virale Genprodukte des ILTV und 4 KHV Proteine erstmals detektieren, bei denen es sich zu einem großen Teil um Glykoproteine der Virushülle handelt (Fuchs et al., 2007; Rosenkranz et al., 2008). Da die Hüllproteine in aller Regel Hauptimmunogene der Herpesviren darstellen, sind unsere Seren und Antikörper auch für die Virusdiagnostik, und die hergestellten Expressionskonstrukte eventuell für die Entwicklung rekombinanter Impfstoffe von Nutzen.
Generierung attenuierter Gendeletionsmutanten von ILTV und KHV als potenzielle Lebendvirusimpfstoffe
Abgeschwächte Lebendvirusimpfstoffe haben sich in vielen Fällen als die wirksamsten und kostengünstigsten Instrumente zur Prophylaxe von Herpesvirusinfektionen bei Nutztieren erwiesen. Auch gegen das Virus der infektiösen Laryngotracheitis der Hühner (ILTV) und das Koi Herpesvirus (KHV) wurden in der Vergangenheit solche attenuierten Impfviren durch in vitro Passagen und/oder Bestrahlung pathogener Viren hergestellt und in der Praxis eingesetzt. Allerdings besitzen diese konventionellen Lebendimpfstoffe oft eine nicht unerhebliche Restvirulenz. Außerdem kann, da sie genetisch nicht charakterisiert und die molekularen Ursachen der Abschwächung unbekannt sind, die Gefahr der Reversion zu einem virulenteren Phänotyp nicht ausgeschlossen werden. Deshalb stellen wir durch homologe Rekombination nach Kotransfektion von Zellkulturen mit infektiöser Herpesvirus-DNA und modifizierten, Plasmid-klonierten Genomfragmenten ILTV- und KHV-Mutanten her, die irreversible Deletionen definierter Virusgene aufweisen. Um eine effiziente Produktion der potenziellen Vakzinen zu ermöglichen, werden gezielt solche Gene entfernt, die für die Virusvermehrung in Zellkultur entbehrlich sind, sich aber bei anderen Herpesviren als Virulenzfaktoren erwiesen haben, wie z. B. die viralen Homologen ubiquitärer Gene für Nukleotidstoffwechsel-Enzyme wie Thymidinkinase (TK) oder dUTPase. Nach Charakterisierung der erhaltenen Virusmutanten in der Zellkultur wird ihre Virulenz in den natürlichen Wirten, also Hühnern oder Karpfen, in Zusammenarbeit mit dem Labor für rekombinante virale Vakzinen am IMB (Dr. Veits), dem Labor für virusbedingte Fischkrankheiten am IMED (Dr. Fichtner) und dem Labor für Pathologie und Bakteriologie der zentralen Abteilung ATB (Prof. Dr. Teifke) untersucht. Nach überstandener Primärinfektion wird durch Belastungsinfektionen mit hohen Dosen pathogener ILTV- oder KHV-Isolaten geprüft, ob die attenuierten Virusmutanten eine schützende Immunität vermitteln. Um sicherzustellen, dass die beobachtete Attenuierung tatsächlich auf die gezielt eingeführten Gendeletionen und nicht auf andere, zufällige Mutationen zurückzuführen ist, werden in allen Experimenten sowohl die virulenten Ausgangsviren, als auch aus den Deletionsmutanten hergestellte Revertanten als Kontrollen mitgeführt. Auf diese Weise konnten wir bislang 6 Genprodukte des ILTV identifizieren (pUL0, pUL47, dUTPase, gC, gG, gJ), deren Deletion zu einer signifikanten Reduktion der Virulenz führt, ohne die nach Lebendvirus-Immunisierung erzielte Schutzwirkung erkennbar zu beeinträchtigen (Fuchs et al., 2007, Pavlova et al., 2010). Zwei dieser Genprodukte sind hochantigene Hüllglykoproteine (gC, gJ), die in mit Wildtyp ILTV infizierten Hühnern spezifische Antikörper induzieren. Die entsprechenden Deletionsmutanten sollten somit als Markervakzinen geeignet sein, die eine serologische Unterscheidung geimpfter von natürlich infizierten Tieren erlauben (DIVA-Strategie). Auch im Hinblick auf die Entwicklung von rekombinanten KHV-Impfstoffen liegen erste vielversprechende Ergebnisse vor.
Nutzung attenuierter ILTV- und PrV-Mutanten als Vektoren für die Expression immunogener Proteine anderer Krankheitserreger von Nutztieren
Sowohl zur Bekämpfung der durch das ILTV verursachten infektösen Laryngotracheitis der Hühner, als auch der durch das Pseudorabies Virus (PrV) verursachten Aujeszky’schen Krankheit der Schweine werden abgeschwächte Lebendvirus-Vakzinen eingesetzt, die eine ökonomische und wirksame Impfprophylaxe erlauben. Solche attenuierten Viren könnten auch als Vektoren für immunogene Proteine anderer Krankheitserreger genutzt und dann als polyvalente Impfstoffe eingesetzt werden. Aus diesem Grund versuchen wir, zugelassene ILT-Impfvirusstämme oder durch Deletion Virulenz-determinierender Gene (z. B. dUTPase-Gen, UL0, gG-Gen) gezielt attenuierte Viren so zu modifizieren , dass sie die rasche Insertion beliebiger Fremdgene in definierten, für die Virusvermehrung entbehrlichen Genomabschnitten erlauben. Für die Expression der Transgene werden in der Regel die starken und in zahlreichen Viren und Zelltypen aktiven „immediate-early“ Promotoren des Humanen oder Murinen Zytomegalievirus genutzt. Darüber hinaus ist es in einigen Fällen zur Erreichung einer effizienten Proteinsynthese nötig, synthetische Introns in den 5’-nichttranslatierten Teil der Gene einzufügen. Mit Hilfe dieser Methoden konnten bereits Hauptantigene verschiedener Geflügelpathogene, wie das Fusionsprotein des „Newcastle Disease Virus“, das Glykoprotein B des „Marek’s Disease Virus“, sowie Hämagglutinin (H5, H7) und Neuraminidase (N1) hoch pathogener aviärer Influnezaviren (HPAIV) erfolgreich in rekombinanten ILT-Viren exprimiert werden (Fuchs et al., 2007; Pavlova et al., 2009). In Zusammenarbeit mit dem Labor für rekombinante virale Vakzinen am IMB (Dr. Veits) durchgeführte Tierversuche zeigten, dass Hühner durch einmalige okuläre Immunisierung mit Hämagglutinin-exprimierenden ILTV-Mutanten vollständig gegen letale Belastungsinfektionen mit homologen und auch einigen heterologen HPAIV einschließlich aktueller, Asiatischer H5N1 Viren geschützt werden können. Außerdem erlauben die H5- oder H7-exprimierenden ILTV Mutanten im Gegensatz zu herkömmlichen, inaktivierten Influenzavakzinen eine einfache serologische Unterscheidung geimpfter von natürlich infizerten Tieren anhand der Ab- oder Anwesenheit von Antikörpern gegen andere Influenzavirusproteine (DIVA Strategie).
Seit kurzem wird auf analoge Art ein bewährter PrV Vakzinestamm (Bartha) erfolgreich als Vektor für die Expression immunogener Proteine des Erregers der Afrikanischen Schweinepest, sowie des Hämagglutinins und der Neuraminidase porciner Influenzaviren (H1N1 Pandemievirus) genutzt. Infektionsversuche an Schweinen müssen nun zeigen, ob diese potentiellen Vektorimpfstoffe genauso wirksam wie entsprechende ILTV-Rekombinanten bei Hühnern sind.
Gefördert durch das Forschungs-Sofortprogramm Influenza des BMELV (FSI 2.1. Entwicklung viraler Vektorvakzinen/Markervakzinen) und Intervet/Schering-Plough Animal Health.
Vergleichende Untersuchung der Funktion konservierter Virusgene im Replikationszyklus von PrV und HSV-1
Für das Verständnis grundlegender Mechanismen der Herpesvirusreplikation ist vor allem die Aufklärung der Funktionen jener viralen Gene wichtig, die innerhalb der gesamten Virusfamilie konserviert sind. Für besondere Eigenschaften einzelner Subfamilien, wie den Neurotropismus vieler Alphaherpesviren, könnten dagegen auch subgruppenspezifische Gene relevant sein. Allerdings wurden in der Vergangenheit strukturell konservierten Genen bei verschiedenen Herpesviren häufig unterschiedliche Funktionen zugeschrieben. Um zu prüfen, ob solche Unterschiede real oder auf verschiedenartige experimentelle Ansätze zurückzuführen sind, haben wir damit begonnen, isogene Deletionsmutanten typischer Vertreter zweier Alphaherpesvirus-Genera, nämlich des humanen Herpes Simplex Virus Typ 1 (HSV-1, Genus Simplexvirus) und des tierpathogenen Pseudorabies Virus (PrV, Genus Varicellovirus), herzustellen und parallel zu untersuchen. Diese Studien werden dadurch erleichtert, dass beide Viren in den gleichen Säugerzellkulturen vermehrt und auch in den gleichen Nagetiermodellen studiert werden können. Außerdem wurden die Genome verschiedener Stämme beider Viren in infektiöser Form als artifizielle Bakterienchromsomen (BAC) kloniert, was eine schnelle und präzise Mutagenese in E. coli erlaubt. Die vergleichende Charakterisierung der hergestellten PrV und HSV-1 Mutanten erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Labor für Herpesvirus-Wirtszell-Interaktionen am IMB (Dr. Klupp), dem Labor für Elektronenmikroskopie am IMED (Dr. Granzow) und dem Labor für Pathologie und Bakteriologie der zentralen Abteilung ATB (Prof. Dr. Teifke). Neben der Replikation in epithelialen Zelllinien und primären Neuronenkulturen kann auch die Virulenz in experimentell infizierten Mäusen geprüft werden, wobei zur Auswertung neben klassisch virologischen und histopathologischen Methoden die Elektronenmikroskopie sowie die konfokale Fluoreszenz- und Videomikroskopie eingesetzt werden.
Bislang wurden bereits die Funktionen mehrerer konservierten Herpesvirusproteine vergleichend untersucht, die an der DNA-Verpackung und Kapsidreifung im Zellkern (pUL25, pUL32), oder der Tegumentierung und Umhüllung der Virionen im Zytoplasma (pUL37, pUL11, gM) beteiligt sind. Dabei zeigten die isogenen Deletionsmutanten von PrV und HSV-1 stets ähnliche Phänotypen, und in einigen Fällen konnte sogar eine heterologe trans-Komplementierung von PrV Mutanten durch das homologe HSV-1 Protein (pUL25, pUL32), bzw. von HSV-1 Mutanten durch das homologe PrV Protein (pUL11) nachgewiesen werden (Fuchs et al., 2009; Kuhn et al., 2008; Leege et al., 2009). Zurzeit werden vor allem die kontrovers diskutierten Mechanismen der Virusmorphogenese in Neuronen und des intraaxonalen Transports von PrV- und HSV-1 Partikeln vergleichend untersucht, wobei der Rolle der Alphaherpesvirus-spezifischen Membranproteine gE und pUS9 besonderes Augenmerk gilt.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.