Insel Riems, 12.11.2020. Zum ersten Mal konnte das Seoulvirus als Ursache einer Hantaviruserkrankung bei einer deutschen Patientin festgestellt werden. Die gemeinsame Studie des Nationalen Konsiliarlabors für Hantaviren (Humanmedizin) der Charité – Universitätsmedizin Berlin, zusammen mit Kliniker*innen und Labormediziner*innen, lokalen und regionalen Gesundheitsbehörden und dem Nationalen Referenzlabor für Hantaviren (Veterinärmedizin) am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) wurde nun im Journal Emerging Infectious Diseases veröffentlicht.
Die junge Frau musste intensivmedizinisch betreut werden und zeigte Symptome eines akuten Nierenversagens, die auf eine Hantaviruserkrankung hinwiesen. Die serologischen Untersuchungen bestätigten diesen Verdacht, erlaubten aber nicht die Identifikation des die Erkrankung auslösenden Virus. Eine anschließende molekulare Analyse durch das Konsiliarlabor für Hantaviren führte zur Erstbeschreibung einer autochthonen Seoulvirusinfektion in Deutschland.
Im Rahmen des vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) unterstützten Netzwerkes „Ratten-übertragene Pathogene“ untersuchte die Gruppe am FLI eine Heimratte, die die Patientin aus Niedersachsen ca. zwei bis drei Wochen vor dem Beginn ihrer Erkrankung gekauft hatte. Die molekularbiologischen Untersuchungen führten zum Nachweis von Seoulvirus-RNA, deren Sequenz identisch mit der bei der Patientin gefundenen Sequenz des Seoulvirus war. „Dieses Ergebnis war somit ein klarer molekularepidemiologischer Beweis, dass die Infektion der Patientin durch eine Heimratte hervorgerufen wurde.“, so Prof. Ulrich, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Hantaviren des FLI.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen den Wert des One Health-Ansatzes bei der Aufklärung des Auftretens (scheinbar) neuer Krankheitserreger. Folgeuntersuchungen sollen die genaue Herkunft der Heimratte sowie des dort gefundenen Erregers zeigen. Dazu sind weitere Untersuchungen von Rattenhaltungen und Wildratten vorgesehen. Vor einigen Jahren gab es Erkrankungen durch von Heimratten übertragenes Kuhpockenvirus. „Der Nachweis eines weiteren Zoonoseerregers in Heimratten unterstreicht erneut die Notwendigkeit eines Monitorings von Heimratten auf Zoonoseerreger.“, betont Prof. Ulrich.
Hantaviren sind in Deutschland schon über viele Jahre bekannt und verursachen beim Menschen eine meldepflichtige Erkrankung mit grippeähnlicher Symptomatik, die bei schweren Verläufen zu Nierenfunktionsstörungen führen kann. Die Mehrzahl der in bestimmten Jahren gehäuften Zahl humaner Erkrankungen geht auf das Puumalavirus zurück, mit der Rötelmaus als Reservoirwirt. Daneben sind in Deutschland humane Infektionen mit dem Dobrava-Belgrad-Virus beschrieben worden. Während das Puumalavirus ausschließlich im westlichen Teil Deutschlands vorkommt, ist die Verbreitung des Dobrava-Belgrad-Virus wegen des Vorkommens der Brandmaus als Reservoirwirt auf den östlichen Teil Deutschlands beschränkt. Das Seoulvirus konnte bisher in Deutschland nicht molekular nachgewiesen werden, obwohl es in verschiedenen europäischen Ländern in Wild- und Heimratten nachgewiesen worden ist und einige Fälle humaner Erkrankungen in Europa beschrieben wurden.
Studie
Hofmann J, Heuser E, Weiss S, Tenner B, Schoppmeyer K, Esser, J, et al. Autochthonous ratborne Seoul virus infection in woman with acute kidney injury. Emerg Infect Dis. 2020 Dec
OI: https://doi.org/10.3201/eid2612.200708
Kontakt
Prof. Dr. Rainer G. Ulrich
Leiter des Nationalen Referenzlabors für Hantaviren des FLI
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